Nicht nur auf E-Autos setzen
FT: Bedeutet das geplante Aus für die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren in der EU nicht auch einen harten Schlag für Firmen wie Moll?
Klaus Eichhorn: Die Vorhaben der Politik in Deutschland und der EU, um den Klimawandel aktiv mit der Energiewende entgegenzutreten, begrüßen auch wir bei Moll ausdrücklich. Die Vorgaben und der Weg dahin sollten jedoch nicht an den Realitäten vorbeigehen. Die Bundesregierung etwa will bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos in Deutschland auf die Straße bringen. Bislang sind es rund eine Million E-Autos. 2022 kamen in Deutschland 2,65 Millionen neue Pkw auf die Straße, wovon lediglich rund 470.000 Autos mit einem Elektroantrieb waren – Tendenz aktuell deutlich fallend. Bei allem Optimismus: das Ziel der Bundesregierung für Deutschland sowie der EU bis 2035 dürfte nicht realistisch sein. Es bleibt nur zu hoffen, dass der teilweise mit 80 Prozent in Milliardenhöhe subventionierte Aufbau von Produktionskapazitäten für Lithium-Batterien in Deutschland und der EU nicht zu ähnlichen Pleiten wie in der Vergangenheit bei der Solarindustrie führt - und nur, weil der politische Gedanke und nicht die Realitäten Grundlage der Planung ist.
Wir sehen der Entwicklung entgegen, ohne in allgemeine Hektik zu verfallen. Was allgemein nicht bekannt ist: In jedem E-Auto ist neben der auf Lithium basierten Antriebsbatterie auch eine 12-V-Bleibatterie zur Versorgung sicherheitskritischer Verbraucher des Bordnetzes eingebaut.
FT: Glauben Sie, dass es noch einen Kurswechsel in Europa geben könnte und der Verbrenner doch noch weiterlebt?
Klaus Eichhorn: Ja, noch über Jahrzehnte! Aber nicht im herkömmlichen Sinn mit fossilen Kraftstoffen, sondern mit synthetischen Kraftstoffen, auch E-Fuels genannt. Die Zeichen der Zeit sprechen dafür. Warum sonst hat sich der Autobauer Porsche laut Stuttgarter Nachrichten bereits 2022 mit 70 Millionen am Aufbau einer E-Fuels Produktion in Chile beteiligt? Jüngst hat der neu berufene VW-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume im Interview bei ntv erklärt: "Mit E-Fuels lassen sich Verbrenner nahezu CO2-neutral betreiben und sind weltweit gefragt". Die Forderung in Deutschland ist nicht mehr zu überhören, den Kurs der Bundesregierung und der EU in Bezug auf das Verbot der Verbrenner bis 2035 zu korrigieren. Nur so ist der Weg frei für Innovationen im Wettbewerb Deutschlands und der EU mit den USA und China.
FT:Welche Gründe würden für einen Wechsel sprechen?
Klaus Eichhorn: Es gibt eine Reihe von Gründen, die dafür sprechen. Thema Rohstoffe: Lithium und Seltene Erden wie Kobalt, Mangan u.a. sind zum einen in der Menge begrenzt; der Bezug aus dem Ausland kann uns in Abhängigkeiten führen. Darüber hinaus ist deren Gewinnung oft umweltschädlich und findet unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen statt.
Thema Kaufpreis: Es dürfte fraglich sein, ob für 15 Millionen E-Autos bis 2030 die Käuferschicht in Deutschland überhaupt vorhanden ist. Aufgrund steigender Preise für die Batterie-Materialien für E-Autos (Kobalt, Mangan etc.) befürchtet der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, dass ein VW ID.3 rund 10.000 EUR teurer sein könnte als ein vergleichbarer Golf mit Verbrennermotor.
Thema Sicherheit: Aufgrund der auf der Straße zunehmenden Zahl von E-Autos steigen auch die Schadensfälle; gemeint ist der Brand der Batterie. Der Brand des Containerschiffs "Felicity Ace" in der Nähe der Azoren im Februar 2022 mit 4000 Fahrzeugen an Bord dürfte noch nicht vergessen sein. Die Löscharbeiten gestalteten sich wegen der E-Autos an Bord mehr als schwierig mit dem traurigen Resultat, dass das Containerschiff gesunken ist. Immer öfter ist an Parkhäusern und Tiefgaragen zu lesen: "Befahren mit E-Autos verboten". Erst jüngst hat die norwegische Reederei Havila aus Sicherheitsgründen den Transport von E-Autos verboten. Mit dem Hochfahren der E-Autos bis 2030 werden sich derartige Vorkommnisse häufen. Interessant wird sein, wie die Versicherungsgesellschaften bei Zunahme der Schadensfälle reagieren.
Thema Restwert: Der Lebenszyklus eines Pkw mit Verbrennermotor in Deutschland ist bekannt, etwa zehn Jahre. Danach wird der Pkw zum Restwert oftmals nach Übersee verkauft, z.B. Afrika, wo er viele Jahre weiter genutzt wird. Bei E-Autos hingegen machen die Herstellkosten der Antriebsakkus etwa ein Drittel der Fahrzeugkosten insgesamt aus - derzeit ca. 10.000 bis 15.000 Euro. Diese Akkus sind nach ein paar Jahren verbraucht und müssen getauscht werden.
Wer bitte kauft ein älteres gebrauchtes E-Auto mit dem Wissen, die nicht unbeträchtlichen Kosten für eine neue Batterie bezahlen zu müssen?
FT: Und was sehen Sie für Probleme im Umfeld der E-Mobilität?
Klaus Eichhorn: Etwa das Thema Ladeinfrastruktur: Wer bitte kann sich eine Großstadt wie Berlin, Hamburg oder München nur mit E-Autos vorstellen? Unzählige Ladestationen und Kabel auf der Straße. Die Verteilnetze sind gar nicht dafür ausgelegt.
Um noch eins draufzulegen: Welche Auswirkungen wären in Deutschland auf den Preis und den Markt von E-Autos zu erwarten, wenn Deutschland dem Beispiel von China folgt und die Nachnutzung von gebrauchten Batterien aus E-Autos verbietet? In einigen EU-Staaten solle es bereits derartige Überlegungen geben. Wohin mit den gebrauchten Lithium-Batterien? Nicht zuletzt sei erwähnt, dass beim aktuellen Strommix ein E-Auto im Fahrbetrieb bzw. beim Laden ein deutlich größeren CO2-Ausstoß verursacht als ein sparsamer Verbrenner. E-Autos haben eine Zukunft, jedoch werden sie den Markt nicht dominieren.
FT: Mit welchen Schritten versucht man sich bei Moll anzupassen?
Klaus Eichhorn: Wir gehen davon aus, bis 2035 und darüber hinaus Starterbatterien für Pkw und Lkw in Bad Staffelstein zu produzieren. Im Focus stehen bei uns Investitionen zur weiteren Automatisierung der Produktion und stetigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Im Dezember 2022 haben wir eine neue Umkleide- und Duschanlage in Betrieb genommen. Die 2022 bestellte COS/Eintaschmaschine mit neuen Montagebändern - eine Investition von 2,3 Millionen Euro - wird im Juni installiert. Unsere Technologie ist weltweit gefragt. Es liegen uns Anfragen aus Zentralasien, den Golfstaaten, den MAGHREB Staaten und Lateinamerika vor, in denen wir um Transfer unserer Technologie gebeten werden. Dieses Geschäft - Technologietransfer verbunden mit Marken- und Lizenzvergabe - wird Moll als zweites Standbein ausbauen.